06.01.2023
Erfolgreicher Abschluss des iMulch-Projektes – Einfluss landwirtschaftlicher Mulchfolien auf terrestrische Ökosysteme
iMulch untersuchte die Auswirkungen von Kunststoffen auf Organismen, Bodenfunktionen, Drainagesysteme und angrenzende Gewässer.
Kunststoffe gelangen auf direktem oder indirektem Wege auf und in Böden. Ein weit verbreitetes Einsatzbeispiel von Kunststoffen auf Böden, das zu einem direktem Kunststoffeintrag führen kann, bilden Mulchfolien. In landwirtschaftlichen Bereichen kommen Mulchfolien auf Agrarflächen zum Einsatz, wo sie zur Temperatur- und Feuchteregulierung im Boden, der Verhinderung von Unkrautwachstum und Bodenerosion bei Starkregen und dem Schutz von Kulturen vor Schädlingen und Fressfeinden dienen. Expertinnen und Experten erwarten im Zuge des Klimawandels und der angestrebten Reduktion eingesetzter Pestizide, einen stetig steigenden Einsatz von Mulchfolien in der Landwirtschaft. Mögliche negative Effekte dieser Entwicklung untersuchte das Verbundvorhaben „iMulch – Eine Untersuchung des Einflusses von Polymeren auf ein terrestrisches Ökosystem am Beispiel von in der Landwirtschaft eingesetzten Mulchfolien“ aus verschiedenen Perspektiven.
Hierzu betrachtete das Projekt eine erdölbasierte (PE) Folie und zwei biologisch abbaubare Kunststofffolien (PLA/PBAT-Blend). Ein Vergleich der Folien sollte auch klären, ob und inwieweit biologisch abbaubare Folien im Vergleich zu konventionellen Folien ökologische Vorteile bieten.
Verwitterung, Alterung, Transportverhalten und mögliche Ökotoxizität
Um eine Bewertung zu ermöglichen, erforschte iMulch die Verwitterung und Alterung der Folien, ihr Transportverhalten und eine mögliche Ökotoxizität. Zum Projektumfang zählten auch eine Ökobilanzierung und der Versuch, durch Upcycling alternative Verwertungspfade aufzuzeigen. Um zukünftig Kunststoffemissionen aus Mulchfolien in der Umwelt zu reduzieren, leiteten die Forschenden auf Grundlage der Ergebnisse abschließend verschiedene Empfehlungen ab.
Mithilfe einer Versuchskläranlage im LabormaĂźstab, die mit dem Drainagewasser einer Ackerfläche befĂĽllt war, fĂĽhrte das Team verschiedene Verwitterungs- und Alterungstests mit konventionellen und biobasierten Mulchfolien durch. Hierbei zeigten die biobasierten PLA/PBAT-Mulchfolien nach rund sechs bis acht Wochen deutliche Verwitterungsspuren und eine partielle Zersetzung. Hingegen wiesen konventionelle PE-Folien vor allem Bewuchs durch Mikroorganismen (Biofouling) auf. Fouling fĂĽhrte bei beiden Folientypen zu einer deutlichen Zunahme der Dichte im Zeitablauf, was eine Sedimentierung der Folienfragmente in Gewässern verursachte.Â
Die Verwitterung der Mulchfolien untersuchten die Verantwortlichen schlieĂźlich in einem Bodenteststand. In Analogie zur Versuchskläranlage, wählten sie hierzu konventionelle und biobasierte Mulchfolien aus Die Proben wurden auf dem Boden unter lebensnahen Umgebungsbedingungen hinsichtlich der Bodenfeuchte und Lufttemperatur bewittert. Generierte Ergebnisse zeigten, dass der Zersetzungszeitraum fĂĽr die biologisch abbaubaren Folienlänger andauert als durch beschleunigte Klimaschranktests zunächst erwartet. Ein vollständiger Abbau dieser Folien konnte bis zum Versuchsende (6 Monate) jedoch nicht beobachtet werden. Die PE Folie zeigte keine maĂźgeblichen Veränderungen.Â
Um das Transport- und Abbauverhalten der Polymere im Boden zu analysieren, synthetisierten die Forschenden PE und PLA/PBAT mit einer 14C-radioaktiven Markierung, Dieses wurden in den Oberboden eingebracht und der Transport mithilfe einer Lysimeterstudie untersucht. Unter realistischen Feldbedingungen konnten nach 24 Monaten weder ein Transport beider Polymere, noch ein signifikanter Abbau des biologisch abbaubaren Polymers oder, eine Aufnahme beider Polymere oder ihrer Abbauprodukte in Pflanzen nachgewiesen werden.Â
Auch Adsorptionsversuche mit dem Schwermetall Kupfer und drei Pestiziden zeigten keine signifikante Adsorption. Lediglich fĂĽr das Pestizid Tebuconazol ermittelten die Tests eine geringe Adsorption im Fall der biologisch abbaubaren Folien.
DurchgefĂĽhrte Toxizitätsuntersuchungen ermittelten keine negativen Effekte fĂĽr Bodenorganismen im Rahmen von Reproduktionstests. Untersuchung der Effekte auf aquatische Organismen wiesen hingegen einen endokrinen Effekt fĂĽr beide Folientypen in in vitro Tests nach, wobei im Klimaschrank gealterten Folien einen geringeren Effekt zeigten. Auch Unterschiede der Effektstärke zwischen den Folientypen wurden nicht nachgewiesen.Â
Entwicklung geeigneter Messmethoden zur Bestimmung der Konzentration, Partikelgröße, Typus und Form verschiedener Polymere in Bodenökosystemen
Um die Proben hinreichend untersuchen zu können, entwickelten die Forschenden in einem ersten Schritt zunächst eine geeignete Detektionsmethodik. Diese umfasste die Etablierung und Validierung der Probenvorbereitungs-, Analyse- und Auswertemethode fĂĽr die TED-GC-MS und eine geeignete Probenvorbereitungs- und Analysemethode fĂĽr die RAMAN-Spektroskopie. Diese ermöglichte eine anschlieĂźende Bestimmung der Konzentration, Größenverteilung, Morphologie und des Typus von Polymeren in Böden.Â
Mithilfe der etablierten TED-GC-MS-Methode, untersuchte das Team verschiedene Bodenproben aus bekannten Bewirtschaftungsformen. Angenommen wurde, dass unterschiedliche Bewirtschaftungsformen, wie beispielsweise die Bewirtschaftung mit und ohne Mulchfolie sowie mit biologisch abbaubaren Mulchfolien und konventionellen Spargelfolien, zu unterschiedlichen Konzentrationen von PE bzw. PLA/PBAT in Böden fĂĽhrt. Die im Rahmen von iMulch durchgefĂĽhrte Messungen konnten diese These nicht bestätigen. Unabhängig der Bewirtschaftungsform zeigten sieben der zehn untersuchten Böden PE Konzentrationen < 1µg/g , die anderen drei Konzentrationen zwischen 4,4 und 9,7 µg/g. In fĂĽnf der 10 Böden konnten geringe Mengen PLA/PBAT nachgewiesen werden, die Werte lagen zwischen 0,3 und 2,6 µg/g Boden, fĂĽr die anderen Böden lag die Konzentration unterhalb der Bestimmungsgrenze von 0,1 µg/g.Â
Aussagen zur Material- und Partikelgrößenverteilung mithilfe der RAMAN-Spektroskopie
Um auch Aussagen der Partikelgröße und Partikelform treffen zu können wurde ebenfalls eine Methode fĂĽr die RAMAN-Spektroskopie entwickelt. Der Arbeitsablauf konnte (teil)automatisiert werden, sodass neben der Partikelidentifikation Aussagen ĂĽber die Material- und Partikelgrößenverteilung sowie die Partikelform getroffen werden konnten. Die Untersuchungen wiesen in allen untersuchten Bodenproben geringe Mengen an Mikroplastik unterschiedlicher Spezies nach. Ein (zeitlich) limitierender Faktor beim Einsatz dieser Messtechnik bestand jedoch in der hohen Matrixbelastung der Bodenproben. Zwar konnte die Matrixabtrennung im Rahmen der Projektarbeiten deutlich verbessert werden, dennoch stellt die hohe Heterogenität terrestrischer Bodenmatrizen weiterhin ein groĂźes Problem dar. Neben einem Kunststoffpartikel befinden sich in den aufbereiteten Proben mehr als 200 weitere Bodenmatrixpartikel. Im Umkehrschluss mĂĽssen somit 200 Partikel RAMAN spektroskopisch betrachtet werden, um einen Kunststoffpartikel zu finden. Ein wirtschaftlicher Einsatz der RAMAN-Spektroskopie erfordert daher eine Steigerung der Effizienz der Probenvorbereitung.Â
Ă–kobilanzielle Betrachtung von PE- und bio-abbaubaren Mulchfolien mithilfe der Lebenszyklusanalyse
Zur ökobilanziellen Betrachtung wurde eine Lebenszyklusanalyse (LCA) durchgefĂĽhrt. Als funktionelle Einheit wählten die Verantwortlichen 1 ha Mulchfolie fĂĽr den Anbau von Zucchini fĂĽr beide Mulchfolientypen (biologisch abbaubar und konventionell, fĂĽr eine Anbausaison). Hierzu fĂĽhrten sie eine Cradle-to-Grave-Studie durch, die alle relevanten Schritte von der Rohstoffbeschaffung bis hin zum biologischen Abbau im Boden (fĂĽr die biologisch abbaubare Folie) bzw. das Recycling oder die Verbrennung mit EnergierĂĽckgewinnung (fĂĽr die konventionelle Folie) umfasste. Hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Klimawandel schnitten die herkömmlichen PE-Mulchfolien besser ab als die biologisch abbaubaren Mulchfolien, sofern Gutschriften der energetischen und stofflichen Verwertung am Ende des Lebenszyklus berĂĽcksichtigt wurden. Werden nur die Prozessbelastungen berĂĽcksichtigt, so wiesen beide Mulchfolientypen eine ähnliche Bilanz auf. Einsparungspotenzial bei den Treibhausgasemissionen bestand besonders bei der Verwendung biobasierter Adipinsäure fĂĽr die Synthese von PBAT und einer Erhöhung des Recyclinganteils der PE-Folie.Â
Mikrobielles Upcycling als zukunftsweisender Weg
Ein weiterer Arbeitsfokus bestand in einem möglichen Upcycling der Folien. Im Rahmen des Projektes gelang es, biologisch abbaubare Folienfragmente durch spezielle Mikroorganismen abzubauen und neue Substanzen fĂĽr eine mögliche Polymerherstellung aufzubauen. Das PE konnten die Mikroorganismen hingegen nicht abbauen bzw. umwandeln.Â
Empfehlungen fĂĽr den Einsatz von MulchfolienÂ
Auf Grundlage der Versuchsergebnisse leitete das Team verschiedene Empfehlungen ab, die darauf abzielen, den Eintrag von Kunststofffolienfragmenten in die Umwelt zu reduzieren und einen Einsatz von Mulchfolien emissionsärmer zu gestalten. Generell empfehlen die Forschenden den Einsatz biologisch abbaubarer Folien. Dennoch sollte ein Nachweis der Abbaubarkeit unter realen Freilandbedingungen ergänzend ĂĽberprĂĽft werden. Insbesondere beim Einsatz sehr dĂĽnner konventioneller Folien, ist nach der Nutzung ein Fragmentverlust zu erwarten. Im Falle einer Bergung von Mulchfolien nach der Anwendung ohne Materialverlust, empfiehlt das Team die Verwendung dickerer konventioneller Mulchfolien. Zu diesem Zweck könnte eine minimale Untergrenze der Materialstärke definiert werden, die zukĂĽnftig auf Ackerflächen zu nutzen ist. FĂĽr die geborgenen Folien empfiehlt sich hingegen die Entwicklung geeigneter Recycling-Konzepte.Â
Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Erhöhung der Folienstärke biologisch abbaubarer Folien, um diese nach der Anwendung ebenfalls vom Feld sammelbar zu gestalten. Sollten einzelne Fragmente dennoch auf den Böden verbleiben, so können diese untergepflĂĽgt und im Zeitablauf abgebaut werden. Eine Produktion biologisch abbaubarer Mulchfolien mit identischer Materialstärke konventioneller Mulchfolien ist aus wirtschaftlicher Perspektive aktuell nicht durchsetzbar. FĂĽr dieses Szenario wären zukĂĽnftig gegebenenfalls staatliche Anreize zu schaffen.Â
Detaillierte Projektergebnisse stehen auf der Projekt-Website http://imulch.eu zur VerfĂĽgung.
Geballte Expertise fĂĽr effektive Forschung
Das Vorhaben iMulch ist ein Leitmarkt.NRW-Projekt und wurde mit Mitteln aus dem Europäischen Fond fĂĽr regionale Entwicklung (EFRE) „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ gefördert. Das Konsortium des Verbundvorhabens umfasst sechs aktive Projektpartner und wurde von drei assoziierten Partnern begleitet. Neben dem Unternehmen Fischer GmbH, waren das Fraunhofer-Institut fĂĽr Molekularbiologie und Angewandte Ă–kologie (IME), das Fraunhofer UMSICHT Institut, das nova-Institut und die RWTH Aachen mit den Instituten fĂĽr Umweltforschung (IUF) und dem Institut fĂĽr Angewandte Mikrobiologie (iAMB) beteiligt. Die Projektleitung trug das das Institut fĂĽr Energie- und Umwelttechnik e. V. (IUTA). Als assoziierte Partner beteiligten sich das Unternehmen BASF, das Forschungsinstitut Kunststoff und Recycling (FKuR Kunststoff GmbH) und das Umweltbundesamt. Zudem bestand ein reger Austausch mit der Landwirtschaftskammer NRW.Â
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